Erinnerungsstücke: Ausstellung am JBG Miltenberg

„Das Thema Flucht bewegt uns nicht nur in der Vorweihnachtszeit, denn immer, wenn Menschen sich gezwungen sehen, ihre Heimat aufzugeben, ist das schlimm“, leitete Schulleiter Ansgar Stich den von Katharina Menne-Beck organisierten Besuch von Sadya Nejat am Johannes-Butzbach-Gymnasium Miltenberg ein. Die Fluchterfahrung der Schülerin des HSG Erlenbach ist Teil der Ausstellung „Erinnerungsstücke“, die zur Zeit in der Miltenberger Aula gezeigt wird. Sie besteht aus Tafeln, auf denen Geflüchtete, die aus verschiedenen Ländern nach Erlenbach kamen, mit Hilfe eines Erinnerungsstückes, so der Titel, ihre Fluchtgeschichte dokumentieren. Die Idee und die Realisierung ist der Erlenbacher stellvertretenden Schulleiterin Annette Wohlmann, dem Kunsterzieher Wolfgang Schwärzler und der Stadt- und Kreisrätin MdL a. D. Petra Münzel zu verdanken. Sadya, deren Erinnerungsstück die Gebetskette ihres Großvaters ist, berichtete Schülerinnen und Schülern der 11. Klassen, die sich zuvor die Ausstellung angeschaut hatten, von ihrer gefährlichen Flucht aus Afghanistan. Dort durfte sie als Mädchen nicht Fußball spielen und auch eine Schulbildung war für Mädchen dort nur sehr schwer zu erhalten. Hinzu kam, dass ihre Familie der schiitischen Glaubensrichtung der Ismaeliten angehört und deshalb als „ungläubig“ galt. Deshalb wurde vor gut sieben Jahren ihr Vater von den Taliban gesucht. Dieser konnte sich aber einer Festnahme entziehen und floh daraufhin nachts mit seiner Familie über Kabul nach Pakistan. Von dort führte die Reise mit dem Bus über Indien und schließlich mit dem Boot nach Griechenland. Die Erlebnisse der damals 7jährigen Sadya auf dem Boot gehören zu den schlimmsten in ihrem Leben. Auch wurde sie in Griechenland von ihrer Familie getrennt und konnte sie nur dank der Initiative einer anderen, fremden Familie wiederfinden. Schließlich erreichte sie mit ihrer Familie den Landkreis Miltenberg. Der Anfang war für sie schwer, da sie die deutsche Sprache nicht beherrschte. Mittlerweile sprechen sie und ihre zwei jüngeren Geschwister jedoch sehr gut Deutsch. Auch konnte ihre Familie eine Wohnung finden und ihr Vater, der in Afghanistan sehr gerne Lehrer war, arbeitet hier als Maler. Zur Erinnerung an ihren Großvater, der von der Taliban erschossen wurde, trägt sie seine Gebetskette. Die Schülerinnen und Schüler konnten Sadya zahlreiche Fragen stellen, auf die sie bereitwillig antwortete. So erzählte sie beispielsweise, dass sie in Deutschland Fußball spielen darf, keinen Kontakt mehr zu ihren afghanischen Freundinnen hat, aber hoffentlich ihre Großmutter nächstes Jahr nach acht Jahren endlich wiedersehen kann. Als Botschaft gab sie den sichtlich bewegten Elftklässlern mit auf den Weg, dass sie freundlich zu Flüchtlingen sein sollten, da diese oft schlimme Erlebnisse gehabt hätten und froh seien, eine neue Heimat zu finden. Schulleiter Ansgar Stich resümierte: „Wenn schon so kleine Zeichen zählen, sollten wir uns das tatsächlich zu Herzen nehmen.“

(Christoph Grein)