JBG Miltenberg: Lesung Bonhoeffer redivivus
„Es war in gewisser Weise ein Experiment, weil wir eine szenische Lesung in dieser Form selten zu Gast haben. Auf der anderen Seite kennen wir den routinierten Theatermacher Bernhard Setzwein und wissen, dass er das, was er anfasst, gut macht.“ So resümierte der Organisator Christoph Grein, Mitarbeiter in der Schulleitung des Johannes-Butzbach-Gymnasium Miltenberg, die Veranstaltung, die anlässlich des 80sten Jahrestags des Kriegsendes stattfand und mit über 200 Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufen 9, 10 und K12 sehr gut besucht war. Am 9. April 1945, nur wenige Wochen vor Ende des Zweiten Weltkrieges, wurde der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer hingerichtet. Er war Mitglied der „Bekennenden Kirche“ und dadurch am Widerstand gegen den Nationalsozialismus beteiligt. Der Autor Bernhard Setzwein würdigte diesen zusammen mit Stefan Voit, Kulturjournalist und Rundgangsleiter in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, mit der szenischen Lesung „Später Besuch – Dietrich Bonhoeffer redivivus“.
Der Hinrichtung Bonhoeffers vorausgegangen waren chaotische Tage, in denen er von Berlin aus mit anderen prominenten Häftlingen auf einen Transport Richtung Süden geschickt worden war. Unter ihnen der spätere CSU-Mitbegründer Josef Müller, genannt „Ochsensepp“. Bis in die allerletzten Stunden blieben die beiden zusammen. In Flossenbürg kam es sogar zu einer fatalen Verwechselung: Kurze Zeit hielt man Müller für Bonhoeffer und fast hätte man den einen an Stelle des anderen hingerichtet. Diese dramatische Konstellation griff das Stück auf und spitzte sie in einer unheimlichen Wiederbegegnung zu: Der bereits hingerichtete Bonhoeffer erschien als eine Art Geist sehr spät nachts als Gast bei Müller. Im schonungslosen Dialog, der um die Kernfragen Moral, Schuld und Verantwortung kreiste, wurde das Vergangene in Müllers Wohnzimmer noch einmal aus den unterschiedlichsten Perspektiven beleuchtet. Sehr eindrücklich wurden dabei nicht nur die menschenverachtenden Haftbedingungen, sondern auch das Hoffen und Bangen der Menschen in den letzten Kriegs- und ersten Friedenswochen thematisiert. Grein dankte den Machern des eindrücklichen Theatererlebnisses und war sich sicher, dass die Schülerinnen und Schüler „eine nachwirkende Begegnung mit Dietrich Bonhoeffer“ erlebt hatten.
(Ansgar Stich)