Mauerritzen als Ort der Klage - Vorösterliche Begleitung am JBG Miltenberg

Auf den ersten Blick ein verwunderliches Bild: Die Religionslehrer Peter Koller und Roland Specht schleppen mit einer Schülergruppe große gebrannte Steine auf die Empore rund um die Aula des Johannes-Butzbach-Gymnasiums Miltenberg. Und dazu kommt dann gleich noch ein sehr passender Versprecher, wenn Initiator Roland Specht erklärt: „Das wird unsere Coronamauer, äh Klagemauer.“ Geplant wurde die Aktion zu Beginn des Schuljahres, als zu vermuten war, dass besonders Pandemieängste und andere schulische sowie private Sorgen von Seiten der Schülerinnen und Schüler zu beklagen wären. Damals konnte niemand absehen, welch große und dramatische Aktualität die Klagemauer durch den Ukraine-Krieg bekommen würde.

Analog zu vielen Aktivitäten der Vorweihnachtszeit soll die vorösterliche Fastenzeit ebenso spirituell begleitet werden. Die Idee ist, nach dem Vorbild der Jerusalemer Klagemauer, die Möglichkeit zu eröffnen, eigene Sorgen loszulassen, indem sie auf einen Zettel geschrieben werden. Diese werden in die Ritzen dieser Mauer gesteckt und am Ende der Fastenzeit ungelesen und in einem angemessenen Rahmen verbrannt. „Wer dies mit einem spirituellen Hintergrund betrachtet und die Sorgen vor Gott trägt, ist genauso eingeladen, wie die Person, die das als eine Art Seelenhygiene begreift und sich einfach nur die Sorgen von der Seele schreiben möchte“, erläutert Schulleiter Ansgar Stich, der selbst Religionslehrer ist. Und er betont: „Wir konnten natürlich nicht wissen, dass es Krieg in Europa geben würde. Ich bin mir aber sicher, dass es den einen oder die andere gibt, der bzw. die hier versucht Kriegs- und Zukunftsängste anonym loszuwerden. Und das ist auch gut so!“

(Christoph Grein)