Nicht erst die gesellschaftlichen Debatten um Corona-Maßnahmen und Impfpflicht haben deutlich gemacht, wie hoch in unserer Gesellschaft der Bedarf nach ethischer Orientierung ist. Schon länger rückt v. a. der Deutsche Ethikrat in die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, wenn es um moralische Fragen in der Medizin, um die Möglichkeit technischer Innovationen oder der Verantwortung des Menschen gegenüber Tieren, Umwelt und Klima geht. Der Ethikrat ist jedoch keineswegs eine Institution, die der Gesellschaft oder gar politischen Entscheidungsträgern Vorschriften machen könnte, sondern lediglich Empfehlungen ausspricht. Doch auf welcher Grundlage kommt der Ethikrat zu diesen Empfehlungen?

Wenn es um Fragen von Moral und Gerechtigkeit geht, haben wir alle ein intuitives Gefühl dafür, was ‚richtig‘ und ‚falsch‘ ist, was sich ‚gehört‘ und was sich ‚nicht gehört‘. Allerdings gehen unsere Sichtweisen dabei oft weit auseinander. Der Ethikrat ist daher ganz im Sinne des Zitats von Hans Blumenberg bestrebt, seinen Empfehlungen möglichst differenzierte Argumentationen zugrunde zu legen, und greift dabei nicht zuletzt auf zentrale Ansätze der Philosophiegeschichte zurück.

In diesem Sinne zielt auch der Ethikunterricht nicht darauf ab, Patentrezepte zur Lösung persönlicher oder gesellschaftlicher Fragen zu vermitteln. Im Vordergrund steht vielmehr der Ansatz, Schülerinnen und Schüler zum Nachdenken über sich selbst, ihre persönliche Lebensgestaltung sowie grundlegende Werte und Prinzipien unseres Zusammenlebens anzuregen. Wie schon bei Sokrates setzt der Ethikunterricht daher bei der konkreten Lebenswelt an, um durch Diskussion, Reflexion und der kritischen Auseinandersetzung mit der kulturellen Tradition zu verallgemeinerbaren Einsichten zu gelangen und damit Orientierungen für ein verantwortungsbewusstes Leben und Handeln  zu gewinnen.